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RAFI GmbH & Co. KG

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Unimog-Anwenderbericht

 

Das Herzstück des Fahrzeugs
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In Wörth am Rhein steht das größte LKW-Werk der Welt. Mehr als 100.000 Fahrzeuge gehen jährlich vom Band. Neben den „großen“ Mercedes-Benz Trucks der sogenannten A-Baureihen, dem Econic und dem Zetros, wird dort seit 2002 ein weiteres Highlight produziert: der UNIMOG. Für die neueste Generation UNI-TOUCH-Fahrzeuge, die seit diesem Jahr auf dem Markt ist und für die allein 700 Neuteile verbaut worden sind, wurde gemeinsam mit RAFI eine weltweit einzigartige Mittelkonsole sowie ein Joystick entwickelt. Grund genug, hinter die Kulissen zu schauen und tiefer in die Materie einzutauchen.

„Ich versuche den Unimog zum Fliegen zu bringen. Das ist mir aber noch nicht gelungen“, beschreibt Lutz Heidrich, seit 2008 Teamleiter Gesamtfahrzeug UNIMOG Geräteträger und seit 1997 im Daimler-Konzern tätig, mit einem Lächeln im Gesicht den Anspruch an sein berufliches Handeln. Privat bringt der ambitionierte Modellbauer dann doch die Dinge zum Fliegen. Und man merkt: Der studierte Luft- und Raumfahrttechniker brennt für seine Arbeit. Voll und ganz. 

So auch im Jahr 2018, als das Projekt, das heute als UNI-TOUCH zum Einsatz kommt, startete. „Wir wollten ein Alleinstellungsmerkmal im Fahrzeuginnenraum haben, das es so in dieser Form noch nicht gibt und dabei gleichzeitig die Fahrzeugbedienung, die Gerätebedienung und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten berücksichtigen.“


Einmal Großglockner – und zurück

Gesagt, getan. Heidrich und sein Team riefen einen Konzeptwettbewerb ins Leben, schrieben ein Lastenheft und ließen sich von verschiedenen Anbietern Angebote zusenden. RAFI überzeugte durch Fachkompetenz und Beratung und bekam den Auftrag. 

Gemeinsam mit dem Berger HMI-Spezialisten ging es in die Konzeptphase. Voruntersuchungen wurden durchgeführt. Auch so genannte Produkt-Kliniken, in denen die Anforderungen des Marktes gemeinsam mit ausgewählten Anwendern ermittelt und erprobt werden, kamen zum Einsatz. In diesem Fall erfolgte die Probe aufs Exempel mit dem ersten Prototypen in den Alpen.

"Wir wollten ein Alleinstellungsmerkmal im Fahrzeuginnenraum haben"


„Auf dem Großglockner waren wir mit Schneefräse und Schneepflug unterwegs und haben festgestellt, dass unser Konzept nicht zielführend ist. Warum nicht? Es war nicht variabel genug. Also haben wir an der Stelle abgebrochen“, blickt Lutz Heidrich zurück. Ohne Wehmut. Denn was bringt am Ende des Tages eine Fahrzeug- und Gerätebedienung, die im mannigfaltigen Einsatz bei den Nutzern nicht ankommt. Schlimmer noch, als ungeeignet durchfällt. Und wenn die Unimog- Community, eine wahre Fanbase, die es seit der Gründung im Jahr 1948 gibt, eines ist, dann vernetzt. Heute mehr denn je.

Iterativer Entwicklungsprozess als Normalfall

Also ging das Projekt zurück auf Start. Im Fall des UNIMOG, dem „Universalmotorgerät“, das so viele Facetten der Nutzung bietet, ein durchaus normaler Prozess. Denn ein UNIMOG mit all seinen Anbaugeräten ist kein Fahrzeug wie jedes andere – und soll dennoch schnell verstanden werden und intuitiv bedienbar sein. 

Zum einen erwartet der Nutzer, der von anderen Fahrzeugen Fahrerarbeitsplatz, Lenkrad, Instrumentierung und Gangschaltung gewöhnt ist, ein ähnlich geartetes Setting. Zum anderen will er mit dem Gefährt arbeiten und dabei nicht lange überlegen, welche Knöpfe er wann drücken und welche Hebel er wie betätigen muss.


„Ob Mähgerät oder Streufahrzeug: Der Fahrzeugführer soll sich wie ein DJ an seinem Mischpult fühlen. Wir sorgen dafür, den begrenzten Fahrerraum ergonomisch und effizient nutzbar zu machen“, bestätigt Wulf Aurich, Produktmanager bei UNIMOG. Dabei gilt es, nicht nur auf aktuelle Anwendungsfälle zu achten, sondern auch auf zukünftige. „Die Herausforderung besteht darin, Adaptionsmöglichkeiten vorauszudenken. Kein Schema F, sondern iterative Schritte bei der Weiterentwicklung des Bedienkonzepts sind der Normallfall.“

Vom analogen zum volldigitalen Bediensystem 

Bestand die Bedienung des UNIMOG-Vorgängermodells noch ausschließlich aus Joystick und Knöpfen, besteht das UNI-TOUCH-System aus einem Touchscreen mit
zusätzlich analogen Funktionstasten, einer Mittelkonsole mit wenigen Kippschaltern („Fingertips/Linearjoysticks“) und einem abnehmbaren Joystick mit kapazitiver Handerkennnung und Freischaltfunktion aus der RAFI JOYSCAPE Plattform. Auf den ersten Blick in seiner Komplexität zugenommen, hat sich die Anzahl der Bedienelemente in Summe jedoch stark reduziert. Flexibilität ist King – auch bei banalen Funktionen wie einer Rundumkennleuchte.

Da gibt es mehrere Eingabewege für dieselbe Funktion. Zum einen über das Display, zum anderen über eine beliebig definierte Funktionstaste (Memory-Tasten). Sogar die Übertragung auf den Joystick ist machbar. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass sich der Nutzer intensiver mit dem System auseinandersetzen muss.

Auf dem Touchscreen, welcher mit einem RAFI Touchsensor sowie vollgebondetem HD-Display ausgestattet ist, gibt es nicht nur eine Bedienoberfläche, sondern Untermenüs, die beliebig nach Funktionalität ausgebaut werden können. Zusätzlich können vordefinierte Arbeitsabläufe als Sequenzen angelegt werden, die dann je nach Einsatzzweck abgerufen werden können. „Die Message an den Anwender ist: Pack Knopf X zu deinen Favoriten, lass Funktion Y weg. Damit wollen wir die Anlernzeit verringern und den Fahrer dahingehend qualifizieren, ohne Umstände produktiv zu arbeiten“, ist Wulf Aurich überzeugt.

Ladun Bakar, Head of Team Sales Commercial Vehicles & Agriculture und UNI-TOUCH-Hauptverantwortlicher bei RAFI, ergänzt: „Wir haben es geschafft, interaktiv die Mechanik mit der Software zu visualisieren. Der Benutzer wählt die gewünschte Funktion, welche auf dem Display visualisiert wird. Die Ausführung des Vorgangs erfolgt erst nach einer aktiven Bestätigung durch den Benutzer“. Bei UNIMOG heißt das „Show & Go“. Alles was in der Armlehne angefasst wird, ist über kapazitative Technologie mit der Software verbunden. Angesteuerte Befehle werden auf dem Display sichtbar gemacht und per Touch aktiviert. Fehlbedienungen werden vermieden – ein wichtiger Baustein beim Thema Sicherheit.

„Der Fahrzeugführer soll sich wie ein DJ an seinem Mischpult fühlen“


Datenaustausch für Service und Instandhaltung

Auch die elektrisch-elektronischen Architekturen (E/E) wurden für die neue Generation der UNI-TOUCH-Fahrzeuge angepasst. Ziel war es, komplexe Strukturen zu vereinfachen und Kosten einzusparen, nicht nur bei Design und Fertigung, sondern auch für Service und Instandhaltung. „Wir haben Schnittstellen für den Datenaustausch nach außen und können zum Beispiel digitale Dienste bereitstellen“, erläutert Wulf Aurich. Hier sei man jedoch noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Es gibt Überlegungen für ein Portal, auf dem Daten empfangen und ausgewertet werden können. Ähnlich wie bei 365FarmNet in der Landwirtschaft. Innerhalb des Daimler-Konzerns gibt es bereits vergleichbare Lösungen wie Fleedboard oder Uptime für Commercial Trucks.

„Wir haben uns auf Augenhöhe verstanden, vertraut und akzeptiert“


Zusammenarbeit auf Augenhöhe

RAFI übernahm für das UNI-TOUCH-Projekt nicht nur die komplette Entwicklungsverantwortung für beide Bedieneinheiten inklusive Elektronik, Mechanik und Software, sondern auch den Produktionsprozess von der Leiterplattenbestückung, der Fertigung des Touchsensors inklusive Displaybonding bis hin zur Montage des gesamten Moduls. „Wir haben uns ganz bewusst für RAFI als Systempartner entschieden, der sich in der Automatisierung der Mensch-Maschine-Schnittstelle bestens auskennt. Schließlich geht es hier um das Herzstück des Fahrzeugs“, blickt Lutz Heidrich zurück. Auch menschlich passte die Zusammenarbeit. „Wir haben uns auf Augenhöhe verstanden, vertraut und akzeptiert. Das war letztendlich der Schlüssel des Erfolgs.“ Natürlich gab es auch schwierige Phasen und stressige Momente und nicht nur technische, sondern auch organisationale und kaufmännische Themen. Die wurden laut Heidrich kollegial, „man kann schon fast sagen freundschaftlich gelöst“. Weitere Erfolgszutaten: jederzeit ein offenes Ohr und die Bereitschaft, sich auftretenden Hürden aktiv zu stellen. Aufgeben war nie eine Option. Ladun Bakar fasst den gemeinsamen Antrieb in einem Satz zusammen: „Wir hatten immer gemeinsam das Ziel vor Augen, ein überzeugendes Produkt auf den Markt zu bringen, das den Endkunden einen klaren Mehrwert bietet“.

Gedanklich in die Zukunft fliegen

Mit Blick auf die kommenden Jahre wird die Arbeit bei und mit UNIMOG nicht weniger, auch wenn die Klimaerwärmung prophezeit wird. Weniger Schnee bedeutet nicht zwangsläufig auch weniger Winterdienste. Entscheidend ist vielmehr die Häufigkeit der Temperaturschwankungen um den Gefrierpunkt. „Daneben kann man mit dem Unimog auch Sand in Abu Dhabi schieben und fräsen“, weist Wulf Aurich auf den weltweiten Einsatz in jeder Region zu jeder Zeit hin. Das Zauberwort lautet Ganzjahreseinsatz. Steigende Anforderungen und sich verändernde Rahmenbedingungen werden konzeptionell vorgehalten. Der UNIMOG wird – da sind sich am Tisch alle einig – auch in den nächsten Jahrzehnten dringend gebraucht.

Auf die Frage, wie man sich nach der Arbeit in Wörth erholt, antwortet Wulf Aurich trocken: „Unimog und MB Trac fahren“. Der gebürtige Niedersachse und passionierte Selbstversorger ist auch privat landmaschinenaffin und nimmt zusätzlich regelmäßig die Motorsäge in die Hand. Lutz Heidrich lässt wie eingangs erwähnt am Wochenende seine Modellflugzeuge vom Boden abheben, will aber auch weiterhin dem UNIMOG Flügel verleihen, wenn auch nur im symbolischen Sinn. „Gedanklich in die Zukunft fliegen macht einfach Spaß. Dafür lade ich jeden ein, der Lust hat, mitzukommen.“

Autor und Fotos: Fred Nemitz

 

Das UNI-TOUCH-System auf einen Blick: Die Mittelkonsole besteht aus einem Touchscreen mit zusätzlich analogen Tasten, diversen Kippschaltern und dem RAFI LINEAR JOYSCAPE.

 

Maximale Fahrfreiheit: Als Standard auf der linken Fahrerseite eingebaut, kann das Lenkrad über eine Schiebevorrichtung nach rechts verschoben werden.

 

Ein kleiner Unterschied zeigt den Generationswechsel an: Waren es noch drei Lichter pro Seite beim Vorgängermodell, zeigt jeweils ein Licht „Ich bin UNI-TOUCH-Fahrzeug“.

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